008 - Portugiesische Sünde by Luis Sellano

008 - Portugiesische Sünde by Luis Sellano

Autor:Luis Sellano [Sellano, Luis]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller/Krimi
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2023-04-11T22:00:00+00:00


30

Henrik

Erst als das Wasser ihm über die Füße schwappte, erkannte er, dass er runter zum Meer gegangen war. Offenbar hatte ihn die Ermittlung nicht nur dahingehend vereinnahmt, für eine Weile seine Angst zu vergessen; er musste nach seiner Unterhaltung mit dem Hotelier auch dermaßen in Gedanken versunken gewesen sein, dass er nicht darauf achtete, wohin ihn seine Schritte lenkten. Das Rauschen der schäumenden Brandung, die an dem feinen Sand leckte, trug dazu bei, dass er sich weniger unwohl fühlte als all die Wochen zuvor. Deshalb störten ihn nicht einmal die vom Salzwasser durchweichten Sneaker. Es hatte sich eindeutig etwas verändert, was das Trauma und seine Panikattacken anging. Wenn der Preis dafür allerdings die kurzweiligen Aussetzer waren, während denen sein Körper Dinge tat, die sein Geist nicht mitbekam, war das trotzdem bedenklich. Doch solange er das Gefühl hatte, bei klarem, verlässlichem Verstand zu sein, sollte er mit seinen Recherchen weitermachen. Auch wenn er nicht die Absicht gehabt hatte, den Ort aufzusuchen, wo die Leiche der Frau angespült worden war, hatte sein Unterbewusstsein ihn hierhergeführt. Natürlich war der Strandabschnitt längst wieder freigegeben, doch nicht einmal der Lärm um ihn herum war ihm bis zu diesem Moment aufgefallen. Das ausgelassene Treiben auf den rund zweihundert Metern Küstenlinie, die auf beiden Seiten von ins Meer hineinragenden Felsen begrenzt wurden, mit nichts mehr darauf hin, dass hier vor drei Tagen ein Polizeieinsatz wegen einer Toten stattgefunden hatte. Jetzt gehörte der Praia da Duquesa wieder voll und ganz den Touristen. Denjenigen, die sich der Sonne hingaben, die Abkühlung durch das Meer suchten, mit ihren Kindern Löcher in den Sand gruben oder damit Burgen auftürmten. Denjenigen, die sich auf wacklige Surfbretter wagten, angeleitet von gebräunten jungen Frauen und Männern, die diese schlecht bezahlten Jobs ohnehin nur eine Urlaubssaison lang machten. Nur ein paar wenige blieben länger. Weil sie nicht wieder zurück an die Uni gehen konnten und auch sonst keine Aussichten auf bessere Verdienstmöglichkeiten fanden. Oder aus einem nicht immer verständlichen Idealismus heraus, weil sie es liebten, das Meer, die Sonne, das Easy Living, das sie trotz allem hier führen konnten. Als er damals nach Lissabon kam, waren ihm zwischenzeitlich ähnliche Flausen vom unbeschwerten Leben im sonnigen Süden im Kopf herumgeschwirrt. Auch wenn er es eigentlich besser wusste, gefiel ihm die Vorstellung, gedankenlos in den Tag hineinzuleben. Doch das war Augenwischerei. Schon allein wegen der familiären Prägung, die ihm sein erzkonservatives Elternhaus mitgegeben hatte und die er niemals gänzlich loswerden konnte. Und erst recht nicht, weil ihm die Trauer um seine tödlich verunglückte Frau Nina keine immerwährende Sorglosigkeit gestattete. Zu all dem kam dann auch noch das Erbe seines Onkels, das Archiv der ungeklärten Verbrechen. Damit war endgültig jeglicher Wunsch nach Leichtsinn dahin. Nun deutete außerdem alles darauf hin, dass er sich aufgrund des jüngst hinzugekommen Psychoschadens erst recht nicht von den Lasten auf seiner Seele befreien konnte. Selbst dann nicht, wenn es ihm gelingen würde, das Antiquariat und seine Geheimnisse hinter sich zu lassen. Er war gefangen in seiner Depression, die ihn nach dem Tod von Nina, aber auch jetzt noch zeitweilig plagte, und jüngst durch ein posttraumatisches Stresssyndrom.



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